Resolution zur Ausrufung des Klimanotstands 24. November 2019 Der Landkreis Osterholz beschließt die Resolution zur Ausrufung des Klimanotstands („Climate Emergency“) wie sie sich aus der Begründung des Antrags ergibt und mit dem Auftrag an die Verwaltung, die beschriebenen Maßnahmen umzusetzen. Begründung für den Klimanotstand: Die Wissenschaft prognostiziert verheerende Folgen für die menschliche Zivilisation und die Natur auf der Erde durch Treibhausgase, deren Konzentration – trotz der Versprechen vieler Länder, wesentliche Maßnahmen zu ihrer Reduzierung zu ergreifen – immer weiter zunimmt. Es ist daher notwendig, auf allen gesellschaftlichen, politischen und staatlichen Ebenen und auch in den Kommunen effektive und konsequente Maßnahmen zu ergreifen, um diesen Folgen entgegenzuwirken. Weltweit haben bereits große Städte wie Los Angeles, Vancouver, Londonund Basel den Klimanotstand ausgerufen; in Deutschland setzen immer mehr Städte und Gemeinden dieses Signal. Der – nicht juristisch zu verstehende – Begriff des Klimanotstands macht deutlich: Auch der Landkreis Osterholz muss, auch wir müssen handeln – jetzt! Resolution zur Ausrufung des Klimanotstands Der Kreistag Osterholz erklärt den Klimanotstand und erkennt damit die Eindämmung der Klimakrise und ihrer schwerwiegenden Folgen als Aufgabe von höchster Priorität an. Dabei kann die Lösung der Probleme nicht allein durch Eigenverantwortung und von Einzelpersonen erreicht werden. Es braucht auch auf kommunaler Ebene großer, aber auch kleiner Gegenmaßnahmen. Im Folgenden werden – über eine allgemeine Absichtserklärung hinaus – verschiedene Maßnahmen aufgerufen und zum Teil näher erläutert (kursiv, grüne Schrift). Über diese Maßnahmen soll einzeln abgestimmt werden: Der Landkreis berücksichtigt ab sofort bei allen Entscheidungen die Auswirkungen auf das Klima und bevorzugt Lösungen, die sich positiv auf Klima, Umwelt und Natur auswirken. Sämtliche Beschlussvorlagen erhalten daher ab Januar 2020 das Kästchen „Auswirkungen auf den Klimaschutz“ mit den Auswahlmöglichkeiten „Ja, positiv“, „Ja, negativ“ sowie „Nein“ als verpflichtender Bestandteil. Die Geschäftsordnung wird entsprechend angepasst. Werden Auswirkungen auf das Klima festgestellt, sind diese in der Begründung darzustellen, soweit Expertenwissen zur Verfügung steht.Ein Klimaschutzbericht (beispielhaft LK Stade) wird erstellt. Die Klimaschutzbeauftragtegeneriert Fördermittel und koordiniert den Prozess.Um eine klimafreundliche Entwicklung der Region zu befördern, werden die Themen Klimaschutz und Klimaanpassung im neuen Regionalen Raumordnungsprogramm und auch in der Regionalentwicklung (insbesondere in der Wirtschaftsförderung) als Leitmotiv erankert. Hierzu werden die bisherigen Grundsätze im RROP zum Thema Klimaschutz zu Zielen erklärt. Haus- und Dachbegrünungen werden für großflächige und damit raumbedeutsame Versiegelungen in Gewerbe-, Industrie- und Sondergebieten verbindlich festgeschrieben. Die Verstetigung der Grundwasserneubildung durch Versickerung des Oberflächenwassers ist festzuschreiben ebenso wie die Nutzung von geeigneten Dachflächen für die solare Energiegewinnung. Zudem wird die Nutzung von Kraft-Wärme- Kopplung bei geförderten Industrie- und Gewerbeanlagen verbindlich vorgeschrieben. Die vorhandenen und neu zu entwickelnden Biotopverbundflächen werden als Vorrang- und Vorbehaltsgebiete Biotopverbund dargestellt. Kompensationsmaßnahmen sollen vorrangig in Flächenpools in den für den Biotopverbund festgelegten Gebieten umgesetzt werden, um der Verarmung der „Normal-Landschaft“ entgegenzuwirken.Die Bemühungen um eine Ausweitung alternativer Energieformen werden intensiviert; das neue Regionale Raumordnungsprogramm berücksichtigt dies in besonderem Maße. Erläuterung: Dem Landkreis Osterholz wurde 2013 der Status „100 % Erneuerbare Energien–Region“ verliehen. Damit gilt er als Vorreiter der regionalen Energiewende. 100Ee-Regionen stützen sich auf einen breiten regionalen Konsens zur Energiewende und die Energie wird bilanziell überdurchschnittlich aus erneuerbaren Energiequellen bezogen Die Energiewende lässt sich nur gemeinsam bewältigen; der Landkreis und die Gemeinden sollten ihre Vorreiterrolle verstärkt ausfüllen.Zukünftige Sanierungen im baulichen Altbestand kreiseigener Gebäude erfolgen nachweislich klimafreundlich. Vor Durchführung einer Sanierung berichtet die Verwaltung insoweit dem zuständigen Fachausschuss über die geplanten Maßnahmen.Straßenbauliche Maßnahmen werden zukünftig unter besonderer Berücksichtigung der Belange von Fahrradfahrer*innen und Fußgänger*innen geplant. Um hier kontinuierlich Verbesserungen herbeizuführen, verpflichtet sich der Kreistag, in 2020 ein Radverkehrssystem-Konzept erstellen zu lassen. Dieses soll in den folgenden zehn Jahren im Rahmen des Straßenunterhaltungsprogramms umgesetzt werden und insbesondere die Anbindung an bereits bestehende bzw. geplante Rad(schnell)wege in der Region (z.B. Bremen) berücksichtigen.Der Landkreis fördert verstärkt Mobilitätsalternativen zum herkömmlichen Autoverkehr. Neben der Verbesserung der Radwege (s. Punkt 6) erfolgt eine Verbesserung der Verknüpfung verschiedener Verkehrsmittel unter besonderer Berücksichtigung und Förderung alternativer Verkehrsmittel wie Elektroauto, Elektrofahrrad, E-Scooter u.ä. wird in Kooperationen mit Partnern das Netz von E-Ladestationen insbesondere an typischen Umsteigepunkten wie Bahnhöfen, Park&Ride-Parkplätzen und Bushaltestellen erweitert. Der Landkreis stellt seinen Bediensteten Fahrräder oder E-Fahrräder zur Verfügung, die diese auch privat nutzen dürfen. Bei der Beschaffung von Dienstfahrzeugen wird der CO2-Ausstoss noch stärker berücksichtigt. Es sind Alternativen zum derzeitigen Dienstfahrzeug des Landrats zu suchen. Zudem erfolgt eine Attraktivierung und Ausweitung des ÖPNVAngebotes insbesondere durch die Erhöhung der Taktung (z.B. RS2 und Linie 680 tagsüber auf Halbstundentakt sowie Verlängerung der Verbindungen der Regionalbuslinien in die Abendstunden) sowie eine Preissenkung (z.B. Kostenbefreiung für junge Menschen in Schule, Ausbildung oder Studium sowie 365€-Jahresticket für Verbindungen innerhalb des Landkreises und nach Bremen). Es werden, gegebenenfalls in Kooperation mit Nachbarlandkreisen bzw. der Stadt Bremen, Fördermittel akquiriert zur Umsetzung von Modellprojekten im Bereich alternativer Verkehrsträger zur Reduzierung des herkömmlichen individuellen Pendlerverkehres und zur Erschließung der bislang durch das ÖPNV-Angebot noch nicht erfassten Gebiete. Zudem erfolgt eine (auch finanzielle) Unterstützung bestehender bzw. neu zu gründender Initiativen wie Bürgerbus- und Carsharingprojekte.Der Landkreis prüft eine Umstellung der Essensversorgung an seinen Schulen auf klimafreundliche Bio-Produkte und stellt die Essensversorgung um, wenn die Prüfung eine maximale Kostensteigerung von 20% ergibt.Das bereits beschlossene Verbot von Pestiziden auf Flächen des Landkreises wird erweitert um die Aufforderung an alle Bürger*innen, im privaten Bereich auf den Einsatz von Glyphosat („Roundup“) zu verzichten. Damit wird die gemeinsame Verantwortung aller Bürger*innen für den Erhalt von Biodiversität, saubere Böden und den Klimaschutz deutlich.Erläuterung: Der Bundesrat hat in seiner 981. Sitzung am 11.10.2019 die Bundesregierung aufgefordert, den Einsatz von Glyphosat u. a. in Privatgärten und öffentlichen Einrichtungen wie Kitas und Parkanlagen unverzüglich zu verbieten. Außerdem soll sie den bis 2023 angekündigten schrittweisen Totalverzicht auf Glyphosat umgehend regeln. Deutlich eingeschränkt werden müsse die Anwendung des Herbizids jedoch schon vor 2023, unterstreichen die Länder in einer am 11. Oktober 2019 gefassten Entschließung (www.bundesrat.de). Diese „Botschaft“ (auch) von nds. Landesebene ist in den kommunalen Bereich zu tragen. Der Landkreis nimmt im Rahmen seiner zur Verfügung stehenden personellen Ressourcen seine Verantwortung als Bauaufsichtsbehörde wahr und wirkt in begründeten Fällen (offensichtliche Verstöße) darauf hin, dass Eigentümer, die unter Missachtung der Vorgaben des § 9 Abs. 2 NBauO auf ihren Grundstücken großflächige Schottergärten angelegt haben, ihre Gärten entsprechend den gesetzlichen Vorgaben gestalten. Der Landkreis ermuntert die Gemeinden und die Stadt, Hinweise auf großflächige Schottergärten zu geben und die Eigentümer auf die geltende Rechtslage hinzuweisen.Erläuterung: Es soll an dieser Stelle auf die Antwort auf eine Kleine Anfrage der MdL Ch. Meyer, A. Piel, M. Staudte und I. Byl des Nds. Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung im April 2019 hingewiesen werden (Drucksache 18/3486). Darin heißt es: „Humose Oberböden als Lebensraum für Tiere, Pflanzen und Bodenorganismen sind wichtige Bestandteile des Naturhaushalts, bilden mit ihren natürlichen Funktionen eigene Ökosysteme und erbringen gleichzeitig grundlegende Leistungen für weitere Ökosysteme. Bei einem Ersatz von humosen Oberböden durch Stein-, Kies- und Schotterflächen können diese Funktionen nicht mehr in einem vergleichbaren Umfang erbracht werden. Bezüglich des Klimaaspekts kommt hinzu, dass diese Flächen im Sommer eher zu einer zusätzlichen Erwärmung beitragen, statt temperaturausgleichend zu wirken. Insbesondere durch die mit der Wasserspeicherfähigkeit einhergehende Kühlfunktion sind Böden mitbestimmend für das lokale Klein- und Stadtklima. Je nach Gestaltung kann die Versickerungsrate dadurch erhöht werden. Dies kann zur erhöhten Schadstoffanreicherung im Grundwasser, etwa mit Nährstoffen oder Pflanzenschutzmitteln beitragen. Solche Flächen sind i. d. R. nicht oder nur spärlich mit Pflanzen bewachsen und sind arten- und individuenarm.“ (S. 3) „Stein-, Kies- und Schotterflächen auf nicht überbauten Grundstücksbereichen verstoßen – soweit sie nicht nur eine verhältnismäßig schmale Einfassung von Beeten usw. darstellen – gegen § 9 Abs. 2 NbauO, wonach nicht überbaute Flächen der Baugrundstücke Grünflächen sein müssen (S. 2). Die Bauaufsichtsbehörden haben, soweit erforderlich, darüber zu wachen und darauf hinzuwirken, dass Anlagen, Grundstücke und Baumaßnahmen dem öffentlichen Baurecht entsprechen. Sie haben in diesem Rahmen auch die Verantwortlichen zu beraten (§ 58 NbauO; S. 4).Die Verwaltung erarbeitet einen Transformationspfad für die Moorlandschaft im Landkreis Osterholz.Im Landkreis Osterholz gibt es auf ca. 200 km² organische Böden mit Bedeutung für den Klimaschutz. Nach Berechnungen des LBEG emittieren entwässerte und landwirtschaftlich genutzte Moorböden 20 bis 35 t CO2-Äquivalente/ha/Jahr (MU 2016). „In der Hammeniederung des Landkreises Osterholz bestehen 12.000 ha Hochmoor- und 7200 ha Niedermoorfläche. Bei Annahme eines durchschnittlichen Höhenverlustes von 1 cm/a durch Torfzehrung muss mit einer jährlichen CO2-Freisetzung in der Größenordnung von 225.000-400.000 t gerechnet werden (LRP 2001, S. 184)“. Das ist noch eine sehr konservative Schätzung, da der Prozess der Torfzersetzung durchaus auch 2 bis 4 cm Substanzverlust/Jahr betragen kann. Damit ist die Entwässerung der Moorböden und deren landwirtschaftliche Nutzung vermutlich der größte Verursacher von Treibhausgasen im Landkreis. Das Teufelsmoor ist auch landesweit einer der Hotspots der Treibhausgasemissionen.Die volkswirtschaftlichen Klimafolgenkosten der derzeitigen entwässerungsbasierten landwirtschaftlichen Moorbodennutzung belaufen sich auf jährlich 40.500.000 € bis 72.000.000 € (basierend auf 180 € pro Tonne CO2,UBA 2019). Abbildung: Karte der kohlenstoffreichen Böden mit Bedeutung für den Klimaschutz (LBEG 2018, NIBIS Kartenserver) [1]. [1] Die Karte ist auf Grundlage der Bodenkarte von Niedersachsen 1 : 50 000 (BK50) entstanden und zeigt die Böden mit torfhaltigen Horizonten bis in 2 m Tiefe. Während die Karte der „Böden mit hohen Kohlenstoffgehalten“ eine Gesamtübersicht gibt, beschränkt sich die Karte „Kohlenstoffreichen Böden mit Bedeutung für den Klimaschutz“ auf solche Standorte, die ein mittleres bis hohes Potenzial zur Verminderung von Treibhausgasemissionen aufweisen. Sie enthält die Bodentypen Hochmoor (dunkelgrün) und Niedermoor (hellgrün), Moorgley (blau), Organomarsch (oliv) und Sanddeckkultur (gelb). Die Extensivierung der Nutzung und Vernässung der Moorböden ist einzige zielführende Maßnahme zur Reduktion der THG-Emissionen. Bereits 2010 – also deutlich vor Paris – hat die Bundesregierung beschlossen, die Treibhausgasemissionen bis 2050 im Vergleich zu 1990 um 80 bis 95 Prozent zu vermindern. Die Moornutzung muss dazu ihren Beitrag leisten. Die notwendige Anhebung von Wasserständen erfordert große technische, ökonomische und soziale Anstrengungen und einen räumlich differenzierten, partizipatorisch entwickelten Transformationspfad (Abel et al. 2019). Ein solcher Pfad kann Planungssicherheit schaffen und Zwischenziele festlegen, die adaptiv zu erreichen und von physischen Notwendigkeiten und gesellschaftlichen Möglichkeiten geprägt sind. Quellen Abel, S., Barthelmes, A., Gaudig, G., Joosten, H., Nordt, A. & Peters, J. (2019) Klimaschutz auf Moorböden – Lösungsansätze und Best-Practice-Beispiele. Greifswald Moor Centrum-Schriftenreihe 03/2019 (Selbstverlag, ISSN 2627‐910X), 84 S. https://greifswaldmoor.de/files/images/pdfs/201908_Broschuere_Klimaschutz%20auf%20Moorböden_2019.pdf LRP (Landschaftsrahmenplan, 2001) für den Landkreis Osterholz MU (Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz, 2016): Programm Niedersächsische Moorlandschaften Grundlagen, Ziele, Umsetzung.UBA (2019) Submission under the United Nations Framework Convention on Climate Change and the Kyoto Protocol 2019. National Inventory Report for the German Greenhouse Gas Inventory 1990 – 2017. 945 p.
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